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Der Yankee Doodle: ein schwälmer Tanz?


Der Yankee-Doodle ist eines der bekanntesten Lieder der amerikanischen Geschichte. Beinahe ebenso lange wird der Ursprung des Liedes diskutiert. Bzgl. seiner Entstehungszeit scheint zwischenzeitlich weitgehende Einigkeit zu herrschen, dass diese im 18. Jahrhundert anzusiedeln ist. 

 

Im Jahre 1905 wurde erstmals öffentlich publiziert, dass es sich bei dem Lied ursprünglich um einen Schwälmer Tanz handeln könne, diese These sehen Kritiker jedoch als weitgehend widerlegt an. Eine gewisse rhythmische und gestalterische Verwandtschaft ist jedoch zu dem beliebten Kirmeslied „Hopsa, Schwälmer Liesje“ nicht zu überhören.

 

Erheblich stärkere Verwandtschaftsverhältnisse fallen zu dem süddeutschen Volkslied „Hopsa, Schwabenliesel“ auf. Wer da letztlich von wem abgekupfert hat, bleibt ebenso ungeklärt.


Videos unten: “Yankee Doodle” und “Schwälmer Tanz”





Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass auch Hessische Soldaten ihre Lieder in der Zeit des  Unabhängigkeitskrieges hatten. Das Bekannteste dürfte „Juchheisa, nach Amerika“ sein, dass die Hessischen Soldaten angeblich zur Verabschiedung vor dem Landgraf Friedrich II. sangen, als sie in den Einsatz abmarschierten:

 

 

Juchheisa nach Amerika, 

Dir Deutschland gute Nacht! 

Ihr Hessen, präsentiert's Gewehr, 

Der Landgraf kommt zur Wacht.

 

Ade, Herr Landgraf Friederich, 

Du zahlst uns Schnaps und Bier! 

Schießt Arme man und Bein' uns ab 

So zahlt sie England Dir. 

 

Ihr lausigen Rebellen ihr, 

Gebt vor uns Hessen Acht! 

Juchheisa nach Amerika, 

Dir Deutschland gute Nacht!

 

 

 

Bei „Frisch auf, ihr Brüder ans Gewehr“ soll es sich um ein Volkslied aus dem Jahr 1777 handeln. Es bringt einige Gründe für den Eintritt der jungen Männer in die landgräfliche Armee zur Sprache, was sich deutlich weniger nach Zwangsrekrutierung anhört:

 

Frisch auf, ihr Brüder, ins Gewehr, 

's geht nach Amerika! 

Versammelt ist schon unser Heer, 

Vivat Viktoria!

Das rote Gold, das rote Gold, 

Das kommt man nur so hergerollt. 

Da gibt‘s auch, da gibt‘s auch, 

Da gibt‘s auch bessern Sold!

 

Das Leben hätten wir hier satt, 

Wir wollen in das Feld, 

Weil man ja kaum zu fressen hat, 

Dazu so wenig Geld. 

Und einen Tag und alle Tag' 

Dieselbe Plag', dieselbe Klag', 

Spießruten, Spießruten, 

Spießruten, dass es kracht.

 

Adchö, mein Hessenland, adchö! 

Jetzt kommt Amerika, 

Und unser Glück geht in die Höh', 

Goldberge sind allda! 

Dazu, dazu in Feindesland, 

Was einem fehlt, das nimmt die Hand, 

Das ist ein, das ist ein, 

Das ist ein andrer Stand.

 

 

Themen-Exkurs: Vom Lesen alter Tagebücher

 

Das Lesen alter Tagebücher stellt für den Einsteiger eine gewisse Herausforderung dar. Die Schwierigkeit variiert mit dem Bildungsstand und beispielsweise der sozialen oder militärischen Funktion des Autors (und zuweilen auch des Lesers). Zeitgenössische Tagebücher kommen oft daher in alter, für den Laien nicht zu entziffernder Handschrift oder gedruckter Frakturschrift. In diesem Fall bleibt nur, nach einer modernen und überarbeiteten Publikation des Werks zu suchen oder aber, sich mühsam einzuarbeiten.

 

Die Schreibweise des 18. Jahrhunderts unterscheidet sich von der heutigen zuweilen recht deutlich. So ist es beispielsweise üblich, überaus lange und erheblich verschachtelte Sätze zu bilden, lediglich durch Kommata getrennt. Hinzu kommt die Verwendung mannigfaltiger französischer Fremdworte – bei den vorliegenden Tagebüchern mit der Einflechtung stark eingedeutschter englisch-amerikanischer  Alltagsausdrücke.

 

In vielen Dokumenten fehlen zudem ganze Absätze, Kapitel oder Seiten. Für Erheiterung sorgt oft das den Text einleitende, aus heutiger Sicht massiv übertriebene Huldigen des gesellschaftlich weit über dem jeweiligen Autor stehenden Landesfürsten. Auch gereichen die Texte häufig zu der Erkenntnis, dass die Gesellschaft des 18. Jahrhunderts weitreichend ähnliche Konflikte der Themenbereiche „Wein, Weib, Gesang und Religion “ und zur „nichtsnutzigen Jugend“ austrug, wie dies heute der Fall ist.

 

An Schärfe gewinnt insbesondere das letzte Thema bei der genaueren Betrachtung der in den amerikanischen Kolonien aufwachsenden Jugend, die laut subjektiven Eindruck des entsprechenden Darstellers (Gottlieb Mittelberger, s.u.) unter den überaus schlechten Einfluss von Sekten und Andersgläubigen gerät. Zu berücksichtigen bleibt, dass viele mitteleuropäische Emigranten ihre alte Heimat verlassen haben, weil sie ihre Form der Religiosität hier nicht ausleben durften.

 

Reiseberichte und Tagebücher wurden auch im 18. Jahrhundert teilweise publiziert, um die Gesellschaft in eine bestimmte Richtung zu lenken. Schillerndes Beispiel ist der Reisebericht von Gottlieb Mittelberger nach Pennsylvanien 1750, der in seinem zuweilen unfreiwillig komischen Werk keinen Hehl daraus macht, dass es ihm vorrangig darum geht, Württemberger von der Auswanderung nach Amerika abzuhalten. Dazu greift er ordentlich in die Trickkiste der Polemik, kann sich aber dennoch hier und da der Bewunderung für die „Neu-Engländer“ nicht entziehen. 

 

Das Grundprinzip der Gesellschaftsmanipulation findet sich ähnlich auch heute in der Verhaltensökonomie wieder, trägt aber zwischenzeitlich den „neu-deutschen“ Begriff „Nudging“. Für ein Schmunzeln  sorgt gelegentlich die Sichtweise des Tagebuchautors auf die ihm unbekannten Menschen und ihre Gepflogenheiten. 

 

Hildebrandt stellt beispielsweise im Zusammenhang zu den „Canadiensern“ fest: „Der Mannsleute ihre Kleidung ist sehr simpel, hingegen heget der Mann vielen Respect und ist mehr Sclave als Mann von seiner Ehegattin, überdießes aber auch sehr fruchtbar wie die Stallhasen.“ (Hildebrandt, S.89). Der eine oder andere Leser wird sich vermutlich rund 230 Jahre später darin unfreiwillig wiedererkennen.

 

Wie bereits erwähnt ist das Durcharbeiten eines historischen Tagebuchs ohne entsprechende Vorbildung nicht ganz einfach. Daher ist es grundsätzlich nützlich, sich bereits zuvor grob mit den politischen und gesellschaftlichen Aspekten jener Zeit beschäftigt zu haben. Dennoch ist neben der Ausdauer teilweise auch die pure Phantasie gefragt. Weniger Phantasie ist dagegen erforderlich, wenn sich zeitgenössische Autoren mit den Ursachen verschiedener sozialer Missstände befassen. 

 

Auch um das Jahr 1750 war man sich weitgehend einig, dass für bestimmte Umstände andere Glaubens- oder Volksgruppen, vorzugsweise aber „der Jude“ verantwortlich sei. Diese Haltung zieht sich durch viele Dokumente und ist selbst in den Schriften des bekannten Dichters  Wilhelm Busch erkennbar („Und der Jud mit krummer Ferse , krummer Nas’ und krummer Hos’ Schlängelt sich zur hohen Börse, Tiefverderbt und seelenlos“, aus “Die fromme Helene”).

 

Auch Mittelberger und Hildebrandt äußern sich zu „den Juden“, allerdings in erheblich unterschiedlicher Schärfe. Mittelberger stellt sie und einige holländische Geschäftsleute u.a. in Zusammenhang mit gewerbsmäßiger Schlepperei, Menschenhandel, Urkundenfälschenung und Betrug. Hildebrandt dagegen beschränkt sich darauf festzustellen, dass der Jude – wie in Deutschland – „jederzeit zu erkennen sei“. Mischehen zwischen Juden und Christen würden dort geschlossen unter Beibehaltung des jeweiligen Bekenntnisses der Eheleute (Hildebrandt, S.109). Mit Blick auf den Antisemitismus des 20.Jahrhunderts wird klar, wie tief die Wurzeln der Abneigung bereits 200 Jahre zuvor verankert waren.

 


Quellen und Literaturhinweise

 

 

Das Tagebuch des Sockenstrickers Johann Valentin Asteroth aus Treysa (1776-1831)“, übertragen und kommentiert von Heinz Krause, Herausgeber: Stadtgeschichtlicher Arbeitskreis e.V. Schwalmstadt-Treysa 1992

 

Unter Canadiensern, Irokesen und Rebellen”, das Tagebuch des Hessen-Hanauer Jägers Philipp Jakob Hildebrandt aus den Jahren 1777 – 1782, herausgegeben von Prof. Dr. Holger Th. Gräf und Lena Haunert unter Mitarbeit von Stefanie Funk. Hanauer Geschichtsblätter, Band 46 Untersuchungen und Materialien zur Verfassungs- und Landesgeschichte, Band 29, Hanau und Marburg 2001

 

Gottfried Mittelbergers Reise nach Pennsylvanien im Jahr 1750 und Rückreise nach Teutschland im Jahr 1754“, Frankfurt und Leipzig 1756

 

Literatur-Tipp: „Tagebuch der Seereise von Stade nach Quebec in Amerika durch die zweyte Division Herzoglicher Braunschweigischer Hülfsvölker“, Friedrich Valentin Melzheimer, Frankfurt 1776. PDF-Download (21,08 Mb)

Melzer beschreibt in diesem Tagebuch seine Seereise von Stade nach Quebec/Kanada als Soldat der 2. Division Braunschweigischer Jäger. Der Schiffstransport nach Amerika findet drei Tage nach Asteroths Einheit statt, die Schiffe begegnen sich in England.

 

 

Abschließender Hinweis: der hier erstellte Text wurde von mir mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt. Dennoch weise ich darauf hin, dass ich weder ausgewiesener Experte bin, noch eine entsprechende wissenschaftliche Ausbildung im Bereich Geschichte genossen habe. Wie bereits angemerkt sind die vorliegenden Tagebücher in einigen Abschnitten schwer- bzw. unverständlich. Ich übernehme daher keine Gewähr für die Richtigkeit der Darstellungen.


Abschließend gilt ganz besonderer Dank meiner Frau Karina für die Anfertigung beinahe aller in diesem Themenbereich veröffentlichten Fotos und für das Korrekturlesen des (immerhin) 14seitigen Manuskripts.